Wiegt Reichweite mehr als Talent?

Hallo kleine Welt,


heute möchte ich über ein Thema schreiben, welches mich in den letzten Tagen beschäftigt hat.  Eigentlich ist es nicht die Sache an sich, sondern mehr so das drumherum. Aber lasst mich erstmal erklären, worum es überhaupt geht.

Jeder recht aktive Internetnutzer hat mittlerweile von dem unsäglichen Lied von BibisBeautyPalace, "How It Is", mitbekommen. Die millionenfachen Aufrufe sprechen für sich. Die negativen Bewertungen allerdings auch, denn wir alle, die wir einen zumindest halbwegs gut ausgeprägten Menschenverstand besitzen und über Fünftklässler-Englischkenntnisse hinaus sind, sind uns einig, dass das Lied als nichts anderes als schlecht bezeichnet werden kann. Textlich (ich habe bewusst nicht inhaltlich geschrieben, denn: Welcher Inhalt?) sowie gesanglich. Vom Gesangsniveau und der Banalität des Textes her erinnert "How It Is" stark an Rebecca Blacks "Friday", und genauso wie damals spürt man dieses Fremdschämgefühl, wenn man sich das Musikvideo dazu ansieht. Kurze bunte Kleidchen, ein immerzu glückliches, total überschminktes Mädchen, das tanzt und über die Sinnlosigkeit der Worte, die ihren Mund verlassen, hinweggrinst. Man könnte erwarten, dass ein Lied, das größtenteils aus "Wap dap dadidada" besteht, doch zumindest von der musikalischen Seite her glänzen sollte, aber auch da enttäuscht der Song. Er ist so eingängig und melodisch unkreativ wie GEMA-freie Hintergrundmusik, die von Zoella & Co. ach so gern und oft benutzt wird.

Aber ganz ehrlich: Die Erwartungen waren nicht hoch. Bibi hat in diversen Challenges gezeigt, dass sie eigentlich nicht singen kann, und niemand hat erwartet, dass sie es von Zauberhand über Nacht erlernt hat. Die Zielgruppe freut sich dennoch: Der Song scheint für 10jährige Bibi-Fans gerade durch seine Eingängigkeit perfekt. Und um ehrlich zu sein, wäre ich heute ein Grundschulkind, ich würde zu dem Lied vermutlich mit meinen Freundinnen auf dem Bett tanzen und ihn in Dauerschleife hören. Nur, ist das tatsächlich der einzige Anspruch, den Bibi an ihren Song hat?

Und damit sind wir bei dem, was mich wütend macht. Denn im Prinzip ist es mir egal, was irgendeine Youtuberin, die ich nicht schaue und deren Zielgruppe ich nicht bin, mit ihrem Leben macht. Dann soll sie eben ein schlechtes Lied herausbringen, mein Gott. Wir könnten es alle gekonnt ignorieren, und schwuppdiwupp, versänke es in der Hölle der unbedeutsamen Lieder.
Aber es ist diese unglaublich ignorante Respektlosigkeit vor der Kunst an sich, die mich so aufregt. Die Tatsache, dass es allein in Deutschland derzeit mehrere Castingshows gibt, die es geschafft haben, seit einigen Jahren jedes Jahr tausende Menschen zu ihren Castings zu locken, zeigt uns, dass es unglaublich viele talentierte Sängerinnen und Sänger auf der Welt gibt. Sie alle träumen von einem Plattenvertrag und einem eigenen Song. Doch sie bekommen sie nicht. Weil sie nicht bekannt genug sind, der Weg zur Spitze hart und die Konkurrenz riesig ist. Und dann kommt eine Bibi daher, die ihren Platz in der Medienwelt bereits gefunden hat und ihreszeichens eigentlich gar nicht singen kann. Aber es wird trotzdem ein Song aus bedeutungslosen Phrasen zusammengeprügelt, von dem jeder weiß, dass er schlecht ist. Denn es gibt Geld. Und polarisiert. Das ist gut, sehr gut sogar, denn es schafft Reichweite und erregt Aufsehen. Und Reichweite und Aufmerksamkeit sind ja bekanntlich die zwei wichtigen, vielleicht auch einzigen, Tugenden eines Youtubers.

Aber ist es das, was man als Bibi tatsächlich vom Leben will? Ist es das Ziel, um jeden Preis Aufmerksamkeit zu erregen, egal, welche moralischen Grenzen überschritten werden müssen, und mit dem Ansporn, Geld damit zu scheffeln? Wo bleibt da der Respekt vor richtigen Künstlern und der Ehrgeiz, etwas richtig Gutes, Eigenes zu erschaffen, das Menschen inspiriert? Kann man nicht auch mal sagen, "das hab ich nicht nötig", weil die Würde größer ist als die Gier nach Aufmerksamkeit?

Vielleicht kann man das nicht verstehen, wenn man nicht gerade Bibi heißt. Man muss es wohl einfach hinnehmen, dass das Leben nicht gerecht ist und Talent nicht immer belohnt wird. Und vielleicht muss man seine Wut darüber manchmal einfach runterschlucken und diese negative Energie positiv nutzen. Vielleicht, indem man Künstler unterstützt, die richtig was draufhaben, denen es jedoch an Reichweite fehlt. Denn wenn viele so denken und danach handeln, wendet sich die ungleiche Waage aus Talent und Reichweite vielleicht irgendwann.

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